Jung und COPD-krankCOPD gilt als Erkrankung älterer Menschen ab etwa 65 Jahre. Wie eine Wiener Studie belegt, stimmt das nicht immer: Das COPD-Risiko von jungen Menschen und Kindern ist bisher unterschätzt worden.
In Österreich sind Schätzungen zufolge etwa 400.000 Menschen von COPD betroffen, aber nur bei 20 % wurde die Krankheit diagnostiziert. Rund 40 % der Betroffenen kennen ihre Diagnose nicht. Die Tendenz ist klar steigend.1,2 In Deutschland geht man davon aus, dass jeder vierte Erwachsene im Laufe seines Lebens an COPD erkrankt – das sieht in Österreich nicht anders aus. Etwa jeder Achte über 40 Jahre leidet an der „Volkskrankheit“.2 Nach aktuellen Schätzungen der WHO wird die COPD bis zum Jahr 2030 zur weltweit dritthäufigsten erkrankungsbedingten Todesursache.3 Laut einer Studie des Robert-Koch Instituts in Deutschland sind bei Erwachsenen ab 18 Jahren rund 5,8 % erkrankt, mit etwa gleichen Werten für Männer und Frauen. Mit dem Alter steigt die Häufigkeit bei beiden Geschlechtern deutlich an. Bei Frauen ab 65 Jahren liegt sie bei 11 Prozent, bei Männern sogar bei 12,5 Prozent.4
Mehr Junge als erwartet
Bisher konzentrierten sich Forschungen auf COPD älterer Menschen, doch eine Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für COPD und Pneumologische Epidemiologie hat belegt, dass die Häufigkeit bei älteren Menschen überschätzt und jene bei jungen Menschen unterschätzt wird. Menschen im Alter zwischen sechs und 80 Jahren wurden dafür untersucht. Die Forscher um Dr. Sylvia Hartl und Dr. Otto Burghuber, Vorstände der Lungenabteilungen am Otto-Wagner-Spital, haben nach Altersgruppen differenziert und bei 3,5 % der Sechs- bis 24-Jährigen eine fixierte – also durch Medikamente nicht oder kaum beeinflussbare – Lungenfunktionsstörung gefunden, während nur 1,5 Prozent dieser Altersgruppe eine ärztliche COPD-Diagnose haben.5 Bei den 25- bis 39-Jährigen waren es 4,5 % mit gemessener Funktionsstörung gegenüber 2,6 % mit COPD-Diagnose. Kein Unterschied hinsichtlich des Anteils an solchen Diagnosen und gemessener Störung ergab sich bei den 40- bis 59-Jährigen. Allerdings kam heraus, dass die gemessenen Lungenfunktionsstörungen in der jüngeren Gruppe bereits gleich häufig sind wie bei der älteren. Bei den 60- bis 69-Jährigen wendet sich das Blatt: Während bei 9,5 % der Menschen dieser Altersgruppe eine COPD diagnostiziert wurde, registrierten die Mediziner nur bei acht Prozent eine fixierte Lungenfunktionsstörung. Bei den Über-70-Jährigen wurden fünf Prozent solcher Störungen gemessen – bei halb so vielen wie mit COPD-Diagnose. Grund dafür: Die Forscher haben die altersbedingte, nicht krankhafte Abnahme der Lungenfunktion einkalkuliert, die mit 35 Jahren einsetzt.5 Grund zur Sorge bereitet den Medizinern die Tatsache, dass in der Phase des Lungenwachstums, also bis zum 25. Lebensjahr, bereits 3,5 Prozent der Menschen keine normale Lungengröße erreichen. Die Forscher plädieren für Lungenfunktionstests im Kindesalter und bei 25-Jährigen, denn niemand wisse, wann COPD beginnt. „Vielleicht werden wir in zehn Jahren sagen: COPD ist auch eine Kinderkrankheit“, so Sylvia Hartl. Nikotinkonsum ist entgegen der weit verbreiteten Ansicht, dass er für 80 % der COPD-Erkrankungen verantwortlich ist, „nur“ für etwa die Hälfte der Fälle chronischer Lungenerkrankungen verantwortlich. Andere mögliche Auslöser sind Luftschadstoffe, Übergewicht, Allergien oder Bronchitis. Über die Zusammenhänge weiß man allerdings noch zu wenig.5
Quellen
- https://www.minimed.at/medizinische-themen/lunge/copd-oesterreich/
- https://www.copd-aktuell.de/wie-haeufig-ist-die-copd-eigentlich
- https://www.who.int/respiratory/copd/burden/en/
- https://www.lungeninformationsdienst.de/krankheiten/copd/verbreitung/index.html
- https://www.lbg.ac.at/themen/copd-wiener-studie-zeigt-falsche-einschaetzung-des-risikos
Erschienen am 15.09.2020 Foto © iloli – stock.adobe.com